Hallo liebe GCLer*innen und andere Interessierte! Mein Name ist Friedi, ich bin 18 Jahre alt und komme aus der Region West. Vor zwei Jahren war ich auch einmal Teil des wunderbaren FATALs, aber hatte es zu der Zeit nicht geschafft, euch von meiner anderen großen Leidenschaft neben den J-GCL zu berichten. Das möchte ich hiermit nachholen, ich bin nämlich Feuerwehrfrau.
Mittwochabend, 23:16 Uhr und der Melder piept. Ich schrecke aus meinen tief versunkenen Gedanken zu der laufenden Netflix-Serie auf und mein Herz beginnt augenblicklich schneller zu schlagen. Jetzt muss es schnell gehen: Ein Blick auf das Display sagt mir, dass es ernst wird, denn ich sehe, dass es sich um einen Gebäudebrand handelt. Pulli überwerfen, Jogginghose anziehen und die Socken nicht vergessen. Dann schnell die Treppe runter, in die Schuhe schlüpfen und den Fahrradhelm aufsetzen. Sobald ich auf dem Fahrrad sitze, kickt das Adrenalin und ich trete, so fest ich kann, in die Pedale. Nach ein paar Kurven sehe ich schon etliche Autos auf das Gerätehaus zurasen, eine Biegung noch und ich springe während des Fahrens vom Fahrrad, reiße den Helm vom Kopf und sprinte in die Umkleide.
Nachdem ich in die Schuhe geschlüpft bin und die Feuerwehr-Hose hochgezogen habe, schnappe ich mir Jacke, Helm und Sicherheitsgurt und mache mich auf den Weg zum Auto. Das erste ist schon weg und über den Funk hören wir, dass es in einem Hochhaus brennt. Während mir das Martinshorn um die Ohren schallt, helfe ich meinem Gegenüber beim Anlegen des Atemschutzgerätes. Das ist während einer wilden Autofahrt ohne Anschnallgurt nämlich gar nicht so einfach. Am Einsatzort erwartet uns eine riesige Gruppe evakuierter Menschen, die frierend auf einem Supermarktparkplatz steht. Meine Aufgabe ist es, Material ins 5. Obergeschoss zu bringen. Leider findet mein Kreislauf das nicht so lustig (von null auf hundert ist eben nicht immer gut) und ich beschäftige mich erstmal mit dem Austauschen von benutzten Atemschutzgeräten. Danach ist es meine Aufgabe, mich um die Materialbeschaffung zu kümmern. Nach einigen Stunden ist das Feuer weitgehend gelöscht und meine Gruppe beginnt mit den Aufräumarbeiten. Fast sieben Stunden später bin ich wieder zuhause und falle erschöpft in mein Bett. Die Serie ist einfach weitergelaufen und schon bei der nächsten Staffel angelangt.
Das war ein kleiner Einblick in einen der spannenderen Einsätze, die ich in meinen bisher eineinhalb Jahren aktiven Feuerwehrdiensts erlebt habe. Zum Glück sieht es nicht immer so aus, denn in ca. zwei Drittel der Fälle handelt es sich um einen Fehlalarm.
Zur Feuerwehr bin ich als zehnjähriges Mädchen* gekommen, damals in die Jugendfeuerwehr, weil mein Bruder* und eine Freundin* auch dort waren. Die Jugendfeuerwehr ist eigentlich genauso wie eine J-GCL-Gruppenstunde, nur dass es eben um Feuerwehr geht. Mit sechzehn Jahren musste ich mich dann entscheiden: Will ich das Ganze weiter machen? Eigentlich wusste ich, dass es mir sehr viel Spaß machen würde, noch mehr Praktisches zu lernen und ich mochte alle meine Jahrgangskamerad*innen sehr. Allerdings hatte ich auch einige Zweifel: Passe ich eigentlich hier rein? Was denken die alteingesessenen Herren* über mich und meine Andersartigkeit? Und habe ich Lust, mich für jede meiner Meinungen rechtfertigen zu müssen? „Andersartig“ meint hier in erster Linie weiblich* und feministisch, denn in unserer Freiwilligen Feuerwehr gibt es nur sechs Frauen* unter fünfundvierzig Männern* und von denen sind nur drei regelmäßig bei Aktionen dabei. Darunter ich und die Freundin*, mit der ich in die Jugendfeuerwehr gegangen bin. Hinzu kommt, dass ich mit meinem „Genderkram“ und „Gleichberechtigungszeug“ für einige eine Angriffsfläche für ihr gesamtes Repertoire an Frauen*witzen zu sein scheine.
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich werde von (fast) allen voll und ganz respektiert und die meisten Kommentare sind nicht ernst gemeint – was natürlich nicht heißt, dass sie okay sind. Aber es ist einfach anstrengend, sich immer wieder erklären zu müssen und zu rechtfertigen, warum man z. B. kein Mettbrötchen frühstücken möchte oder warum man es nicht lustig findet, wenn das Donaulied gegrölt wird, in dem eine Vergewaltigung beschrieben wird. Trotz allem habe ich mich dann entschieden, weiterzumachen. Und ich sage euch, das war die richtige Entscheidung, denn Feminismus ist noch nie bequem gewesen. Ich bin mir sicher, dass meine Kommentare und Anmerkungen und die ein oder andere Diskussion bei dem ein oder anderen zur Reflexion von Verhaltensweisen beigetragen haben und dann hat es sich für mich schon gelohnt. Außerdem mag ich meine Kamerad*innen auch einfach sehr gerne.
Die Feuerwehr ist eine Institution, in der noch immer nur wenige Frauen* aktiv sind. Das liegt zum einen daran, dass es teilweise echt schwierig ist, als Frau* bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Ich habe es selbst schon erlebt, dass ich körperlich an meine Grenzen gekommen bin. Die Muskelkraft in den Armen ist oft wichtig und die fehlt mir teilweise einfach. Natürlich gibt es auch einige Frauen*, die alles problemlos hinbekommen, aber ich denke, es ist für uns ein ganzes Stück mehr Arbeit, an diesem Punkt anzukommen.
Zum anderen denke ich, dass viele Mädchen* und Frauen* die Feuerwehr für „Männer*kram“ halten und sich nicht ernsthaft mit dem Gedanken befassen, ein Ehrenamt oder einen Job in dieser Institution zu übernehmen. Dabei gibt es sehr viele Aufgaben, für die überhaupt keine Muskelkraft benötigt wird. Einsatztaktik und Entscheidungen werden im Kopf und nicht mit dem Bizeps getroffen. Trotzdem kenne ich leider nur eine überschaubare Anzahl an weiblichen* Führungskräften in der Feuerwehr.
Eine Sache will ich noch mit euch teilen: Ich hatte und habe manchmal noch Angst, dass ich durch meine Tätigkeit in der Feuerwehr von anderen, insbesondere von Jungs* und Männern*, als weniger „weiblich*“ wahrgenommen werde. Deshalb habe ich oft einfach nicht erzählt, dass ich bei der Feuerwehr bin, oder versucht, mich möglichst feminin zu kleiden. Ich finde es schade, dass ich und bestimmt auch andere Mädchen* das Bedürfnis haben, das eigene Handeln und die eigene Leistung bzw. die Darstellung davon so zu gestalten, dass sie den gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblichkeit* entsprechen. Mal abgesehen davon, dass es nicht das eine „weiblich*“ gibt, ist es doch schade, dass Frauen* und Mädchen* das Gefühl haben, weniger als sie selbst, also als Frau* oder als Mädchen* wahrgenommen zu werden, wenn sie für Frauen* untypischen Tätigkeiten oder Berufen nachgehen. Die Lösung dafür ist die Auflösung von veralteten Rollenbildern und Vorurteilen, sodass jeder Mensch, unabhängig von der eigenen Geschlechtsidentität, einfach das machen kann, woran er*sie Spaß hat. Diese Auflösung ist schwer und anstrengend, aber genau dafür gibt es den Feminismus.
Wenn du jetzt Lust auf Feuerwehr bekommen hast, schau dir das Ganze doch einfach mal an! Ich habe mit meiner Einsatz“mann“schaft eine Truppe gefunden, der ich im Einsatz mein Leben anvertraue und die Kamerad*innenschaft, die daraus entsteht, ist etwas ganz Besonderes!
Übrigens, falls ihr euch gefragt habt, was die komische Überschrift bedeuten soll, hier die Antwort: Der Spruch: „Vier Mann*, vier Ecken“ ist in unserer Feuerwehr sehr beliebt, wenn es darum geht anzupacken und schwere Sachen durch die Gegend zu tragen. Ich ärgere mich jedes Mal darüber und hoffe, dass ich irgendwann auch befugt sein werde eine Kiste zu tragen.
Alles Liebe! Eure Friedi.