Männer*- Frauen*- oder doch Unisexmode? – Warum packen wir Kleidung in Kategorien?

Stell die vor, du gehst zusammen mit Freund*innen* shoppen und ihr sucht nach neuer Kleidung. Ihr geht in den Laden, dabei ist es eigentlich egal in welchen (vielleicht abgesehen von Secondhand-Läden). Das Erste, was uns ins Auge springt, ist die Aufteilung in Männer*-, Frauen*- und Kinderabteilungen. Wir werden selbstverständlich dazu geleitet, Kleidung nach Kategorien und Geschlechtern auszuwählen. Doch warum ist das so? Warum sind Frauen*abteilungen bunter? Und warum werden Männer* in Kleidern doch etwas schräg angeschaut?

Ursprung des ganzen Konstrukts mag die Gesellschaft sein, doch es lohnt sich, zuallererst einen Blick in die Geschichte unserer Mode zu werfen, da wir dort einen möglichen Erklärungsansatz finden können. Denn bis zum 18 Jahrhundert war Kleidung lediglich ein Ausdruck der Standeszugehörigkeit. Dabei schmückte sich der Adel mit Perücken, Röcken und hohen Schuhen, während die Kleidung des Bürgertums geprägt von Nutzen und Einfachheit war. Damit wurden die Machtverhältnisse deutlich und dies hat sich bis heute durchgesetzt, wenn auch unterbewusst. Mit dem Auflehnen und Durchsetzten des Bürgertums gegen den Adel, wurde automatisch dessen Kleidung „abwertend feminisiert. Das Bürgertum sowie seine Lebensführung und Moral wurden hingegen als männlich definiert und idealisiert”. So erklärt es die Schweizer Geschlechterforscherin Michela Seggiani (Q1). Dementsprechend entstand das Konzept des bürgerlichen Zweigeschlechtermodells, welches die Frau* und ihre* feminine Kleidung als, von Natur aus, dem Mann* untergeordnet bestimmt. Der Mann* wurde mit den Idealen der Arbeit und des Verstandes zum Maßstab und die Frau* blieb „das Mindere“. Ausdruck des Konstrukts war die Kleidung, denn nun unterschieden sich Frau* und Mann* durch Kleid und Hose.

Seitdem die Frauen* des 19. Jahrhunderts in Frauen*rechtsbewegungen um ihre Rechte kämpfen, begann sich auch der Ruf nach Gleichberechtigung im Bereich der Mode zu verstärken. So gelang es bis heute, dass sich Frauen* dem Maßstab des Mannes näherten*, indem sie Hosen, vermeintlich männliche Kleidung, tragen. Im selben Zug kann es eine Erklärung dafür geben, dass wir beim Einkaufen eigentlich keine Röcke, Kleider oder gar zu verspielte Kleidung in den Männer*abteilungen finden. Denn abgesehen von den fest eingefahren gesellschaftlichen Idealen und Standards, liefert das bürgerliche Zweigeschlechtermodell einen Erklärungsansatz, demnach kann die Annäherung des Mannes* an vermeintlich feminine Kleidung eine Abwertung der eigenen Machtposition sein. So beschreibt es auch Marjorie Jolles, Associate Professor of Women’s and Gender Studies an der Roosevelt University in Chicago: „Weibliche Kleidung hat absolut kein soziales Kapital für einen Mann, weil sie eine Reihe von Eigenschaften verkörpert, die unsere Gesellschaft geringschätzt. Ein Mann, der die Codes einer unterdrückten Klasse nachahmt, ist vor allem eines: lächerlich.“ (Q2)

Insgesamt kann Kleidung also einiges über die Geschlechterrollen in der Gesellschaft aussagen, und wenn wir aus den von der Gesellschaft konstruierten Idealen ausbrechen, wird man häufig schräg angeblickt.

Wir Frauen* können also ziemlich stolz auf unsere Vorreiterinnen* der früheren Frauen*rechtsbewegungen sein, da wir mittlerweile auch genormt männliche Kleidung tragen können, ohne dass wir komisch angeschaut werden. Zugleich werden Männer* leider des Öfteren beleidigt oder es kommt sogar zu Gewalttaten gegenüber Personen, welche sich nicht nach typischen Schönheitsidealen kleiden.

Dabei ist die Freiheit der Kleidungswahl ein Privileg, welches wir in allen Formen, Farben und Schnitten nutzen können und auch sollten. Denn Kleidung ist ein Ausdruck seiner* oder ihrer* selbst und kann einen Spiegel der Persönlichkeit oder der Gefühlslage darstellen und ist damit vor allem eins: individuell und kreativ. Genau deshalb sollte Mode nicht von der Gesellschaft „vorgeschrieben“ sein und uns nicht eine bestimmte Kleidungsabteilung zwängen. Doch abgesehen von dem ursprünglichen Ziel der Funktionalität und dem Gefühl, sich einfach schön zu finden, kann Kleidung auch ein politisches und moralisches Statement setzten. Hose oder Kleid? Mann* oder Frau*? Aber auch Mitläufer*in oder Rebell*in? Diese Wahl können wir alle jeden Tag aufs Neue treffen und uns ein Stück der Offenheit nähern.

So kann Frau* sowohl Hose und Hemd tragen als auch genormt feminine Kleidung, wie Rock oder Nagellack, um das eigene Geschlecht bewusst auszuleben. Gleichzeitig kann Mann* Kleid und Strumpfhosen, sowie Anzug und Jeans tragen. Denn Kleidung hat kein Geschlecht. Wir sollten die Schubladen von „weiblich*“ und „männlich*“ im Bereich der Mode aufbrechen und eine schaffen. Denn Kleidung hat kein eigenes Geschlecht.

Mit Liebe, Caro

PS: Ein kleiner Denkanstoß: Warum finden wir bei Unisexmode meist nur T-Shirts und Hoodies, also vermeintlich männliche* Kleidung?

Quellen:

Q1: https://www.fluter.de/wenn-mann-kleid-traegt-vorurteile

Q2: Marjorie Jolles, Associate Professor of Women’s and Gender Studies an der Roosevelt University in Chicago, www.fluter.de