Mädchen-Mail reloaded – Die Heldin Hedwig Dohm

Gerne möchten wir auf diesem Blog die Arbeit der ehemaligen FATAL-Teams bekannt machen und euch zeigen, mit welchen spannenden Themen sich die Fatalistinnen* bereits beschäftigt haben. In regelmäßigen Abständen werden nun Ausschnitte alter Mädchen-Mails veröffentlicht. (Mädchen-Mails sind das Format des inhaltlichen Inputs des FATAL gewesen, bevor im Jahr 2019 auf diesen Blog umgestellt wurde. Bis dahin gab sich die GCL-MF und damit auch das FATAL jedes Jahr ein bestimmtes Jahresthema.)

Ich (Caro) habe euch den nachfolgenden Beitrag aus der dritten Mädchen-Mail (MM) 2018 zum Jahresthema „(Super-)Heldinnen“ rausgesucht. Unten könnt ihr die gesamte MM downloaden. Sofern ihr Zugriff auf die J-GCL-Cloud habt, findet ihr dort alle anderen MM. (siehe Thematische Arbeitshilfen und Konzepte | Zweiverbandlichkeit Mädchen*- und Frauen*arbeit | MädchenMails von 2008 bis 2018)

Dieser Ausschnitt passt zum Thema „Life is more than fitting in“ und handelt von Hedwig Dohm, gleichermaßen passt er auch wunderbar in dieses Jahr, in dem die Bundestagswahl stattfindet. 

Hedwig Dohm (1831-1919)
– eine Heldin im Kampf für das Frauenwahlrecht in Deutschland

„Glaube nicht, es muß so sein, weil es so ist und immer so war. Unmöglichkeiten sind  Ausflüchte steriler Gehirne. Schaffe Möglichkeiten.“ 

Hedwig Dohm

Sie war eine der klügsten und witzigsten Frauenrechtlerinnen und Schriftstellerinnen. Ihre Forderungen zur Frauenemanzipation sind zum Teil noch heute nicht verwirklicht. Hellsichtig und humorvoll sind ihre ideologiekritischen Analysen von Werken zeitgenössischer patriarchalischer Denker, wundervoll respektlos entlarvt Hedwig Dohm deren dümmliche Machtansprüche und Unterdrückungstheorien. 

Dohm war eine sehr moderne Denkerin. Sie sah, dass der sogenannte weibliche Sozialcharakter auf erziehungsbedingte Einflüsse zurückzuführen und nicht biologischen Ursprungs ist. Sie forderte gleiche Bildung und Ausbildung für beide Geschlechter und kämpfte für Frauenstudium und Frauenstimmrecht. Hausarbeit und Kindererziehung könnten von Institutionen übernommen werden, um auch der Frau die Möglichkeit zu geben, ihrem Beruf nachzugehen. Ökonomische Selbständigkeit der Frau würde die Ehe »ethisieren«, da keine Frau mehr aus Versorgungsgründen zur Heirat gezwungen sei. 

Hedwig war das vierte von achtzehn Kindern einer jüdischen Tabakfabrikanten-Familie. Das empfindsame und wissensdurstige Mädchen hatte keine leichte Kindheit und Jugend: »Warum mußte ich heimlich, als wär’s ein Verbrechen, lesen? Warum durfte ich nichts lernen? Meine Brüder wollten und mochten nichts lernen und wurden dazu gezwungen.« Als Fünfzehnjährige musste Hedwig die Schule verlassen und erkämpfte sich später den Besuch eines Lehrerinnenseminars. 1853 heiratete sie Ernst Dohm, den Chefredakteur des satirischen Wochenblattes „Kladderadatsch“. Ihr Haus wurde zum Treffpunkt der Berliner Künstler*innen und Intellektuellen. Ihre vier Töchter (darunter Hedwig Pringsheim, Mutter von Katia Mann und Schwiegermutter von Thomas) erhielten alle eine Berufsausbildung. Sie sollten ein »selbstbestimmtes Leben« führen. 

Beispiele ihrer ebenso kühnen wie witzigen feministischen Streitschriften, für die sie heute so berühmt ist: „Was die Pastoren von den Frauen denken“ (1872), „Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau“ (1874), „Werde, die du bist“ (1894) und „Die Antifeministen“ (1902). 

Dohm war mit ihren Forderungen nach gleichen Rechten für Frauen und Männer auf allen Gebieten einschließlich des Stimmrechts ihrer Zeit zu weit voraus. Da die erwünschte Resonanz ausblieb, versuchte sie sich als Lustspielautorin – mit mehr Erfolg.

In den 1880er Jahren war Dohm jedoch keine einsame Ruferin in der Wüste mehr – eine neue Frauengeneration war herangewachsen, die aus Dohms Schriften gelernt hatte. Die Frauenbewegung wurde immer stärker, und die öffentlichkeitsscheue Hedwig Dohm machte mit: 1888 war sie sogar Mitgründerin des Vereins »Reform«. 

Die alte Hedwig Dohm lebte, bis zuletzt – sie wurde 87 Jahre alt! – hellwach und schreibend, bei einer ihrer Töchter. Dass 1918 die deutschen Frauen endlich das Wahlrecht bekamen, für das sich Hedwig Dohm als eine der ersten eingesetzt hatte, freute sie, neben aller Verzweiflung über den Wahnsinn des Krieges.     

Anmerkung: Im Text werden die Begriffe Mädchen, Frauen, Jungen und Männer mal mit Sternchen (*) und mal ohne verwendet. Das liegt daran, dass 2018 die Diskussionen um geschlechtliche und sexuelle Vielfalt erst begannen, präsenter zu werden, und sie daher auch noch nicht in dem Maße wie heute die Schreibweise prägten.