75 Jahre Vereinte Nationen = 75 Jahre Frauen*rechte?

Am 26. Juni 1945 wurden die Vereinten Nationen (VN) in San Francisco gegründet. Sie setzen sich in ihrer Agenda 2030 für Gender Equality ein. Seit ihrer Gründung vor 75 Jahren hat sich die Situation für Mädchen* und Frauen* weltweit verbessert, dennoch sind noch lange nicht alle Ziele erreicht.

Schon damals hat sich die internationale Organisation in der UN-Charta (ihrer Satzung) sehr hohe Ziele gesetzt: Weltfrieden und internationale Sicherheit, freundschaftliche Beziehungen zwischen Nationen und die internationale Zusammenarbeit, Lösung globaler Probleme und Förderung der Wahrung der Menschenrechte[1]. All diese Ziele wurden vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges formuliert, zu Zeiten, in denen sich Staaten kurz zuvor noch mit Armeen gegenüberstanden, viele Menschen auf der Flucht waren und Menschenrechte massiv verletzt wurden.

Umso wichtiger war deshalb für die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, Standards und Ziele zu formulieren, die diese Art von unbeschreiblichen Verbrechen zukünftig verhindern sollten. 

„Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ein Dokument von großer Strahlkraft. Auf sie berufen sich die Jungen, die Armen und die Unterdrückten in ihrem Streben nach einer gerechteren Welt.“ Dr. Bertrand G.Ramcharan

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 ist der Grundstein zum modernen Menschenrechtsschutz im Rahmen der Vereinten Nationen. In der Präambel verpflichten sich die Staaten „die grundlegenden Menschenrechte, […] die Würde und den Wert der menschlichen Person und […] die Gleichberechtigung von Mann und Frau [zu] bekräftigen“[2], also auch zum Schutz der Rechte von Frauen*.

Die 17 Sustainable Development Goals als Versprechen für eine bessere Welt

Diese im Jahr 1945 in der UN-Charta unterzeichneten Ziele und auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sind zugegebenermaßen etwas abstrakt und unspezifisch, sodass sich die 193 Mitgliedsstaaten der VN im Jahr 2015 auf die Agenda 2030 und somit die 17 Sustainable Development Goals[3] (Nachhaltigkeitsziele) einigten.

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Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung drückt die internationale Staatengemeinschaft ihre Überzeugung dafür aus, dass sich die globalen Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen lassen. Die Agenda 2030 verspricht die Grundlage dafür zu schaffen, „weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten“[5]. Die 17 Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen erstmals alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Soziales, Umwelt, Wirtschaft – gleichermaßen. Die 17 Ziele sind unteilbar und bedingen einander.

Eine Neuerung ist, dass die Agenda 2030 explizit für alle Staaten dieser Welt gilt – Entwicklungsländer, Schwellenländer  und Industriestaaten: Alle müssen ihren Beitrag leisten.

Ein für mich persönlich sehr wichtiges Nachhaltigkeitsziel ist die Nummer Fünf: Achieve gender equality and empower all women and girls. (Erreichen von Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen* und Mädchen*).

Ein Bild, das Zeichnung enthält.  Automatisch generierte Beschreibung

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Auch dieses Ziel klingt erst einmal sehr abstrakt. Allerdings steht hinter jedem der 17 Nachhaltigkeitsziele ein sehr umfangreiches Rahmenprogramm, das konkrete Zielvorgaben benennt und verschiedene Konzepte zur Bekämpfung der Missstände bereithält, deren Umsetzung regelmäßig überprüft wird. Konkrete Projektideen zum Erreichen der Geschlechtergerechtigkeit sind zum Beispiel die UN Women’s Flagship Programme Initiatives[7], entwickelt durch „UN Women“, das im Jahr 2010 gegründete Frauenrechtskomitee der Vereinten Nationen. Durch sein globales Engagement und die Zusammenarbeit mit Staaten und Zivilgesellschaften trägt UN Women dazu bei, dass die Vision der Sustainable Development Goals Wirklichkeit wird.

Natürlich gibt es sehr viel, was noch verbessert werden muss. In den meisten Ländern dieser Welt müssen Menschen noch immer auf die Verwirklichung der Ziele der Agenda 2030 warten.

“No country in the world can yet say they have achieved gender equality.”

“Kein Land dieser Welt kann behaupten, dass es Geschlechtergerechtigkeit bereits erreicht hat.“
Emma Watson, UN Women Goodwill Ambassador.

Es wurde schon vieles erreicht!

Dennoch befinden wir uns mitten im Prozess und somit auf dem Weg in die richtige Richtung. Es ist sehr wichtig, die vielen Missstände zu benennen und sich diese als Gesellschaften und internationale Staatengemeinschaft immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Genauso wichtig ist es, zu betonen, dass auch schon Fortschritte in Richtung Gleichberechtigung gemacht wurden und sich die Situation für Mädchen* und Frauen* global gesehen deutlich verbessert hat[8].

Schule und Bildung

  • Im Jahr 2012 besuchten weltweit deutlich mehr Mädchen* die Grundschule als noch vor einigen Jahren.
  • In Südasien hat die Zahl der Mädchen*, die die Grundschule besuchen zugenommen, sodass nun genauso viele Mädchen* wie Jungen* eingeschrieben sind.
  • Benin, Burkina Faso, Senegal und Sierra Leone haben die größten Verbesserungen bei der Einschulung von mehr Mädchen* erzielt.

Politik

  • Die Zahl der weiblichen* Abgeordneten  hat sich in den letzten 20 Jahren weltweit verdoppelt.
  • Ruanda hat die meisten weiblichen* Parlamentarierinnen* der Welt. Frauen* machen mittlerweile 64% der Abgeordneten im Unterhaus aus.
  • Im Jahr 2012 verzeichnete Nicaragua mit 57% die meisten Frauen* in Minister*innenpositionen weltweit, noch vor Schweden, Finnland, Frankreich und Norwegen.

Wirtschaft & Gesellschaft

  • Im Februar verabschiedete Malawi ein Gesetz, das das Mindestalter für eine Eheschließung von 15 auf 18 Jahre erhöhte. Eine zu frühe Verehelichung ist ein Hauptgrund, warum Mädchen* in manchen Ländern keine weiterführende Schule besuchen.
  • Bolivien hat Gesetze aufgehoben, die es Frauen* nicht erlaubten, nachts zu arbeiten.
  • Seit 2018 dürfen Frauen* auf der ganzen Welt Auto fahren.

An vielen dieser Errungenschaften waren und sind die Vereinten Nationen beteiligt.

Zwei Kampagnen von UN Women zum Mitmachen

Abschließend möchte ich euch noch zwei besondere Kampagnen von UN Women vorstellen: Zum einen eine kreative Idee und zum anderen ein aus meiner Sicht sehr wichtiger, inklusiver und daher zukunftsfähiger Ansatz.

UN Women Song

Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2013 hat UN Women in Zusammenarbeit mit 25 Frauen* und Männern* aus der ganzen Welt einen Song produziert: One Women

Wer Lust hat, kann da ja mal reinhören.

HeforShe

Die HeforShe Kampagne von UN Women hat aus meiner Sicht einen ganz ähnlichen Ansatz wie wir in den J-GCL:

“If we stop defining each other by what we are not and start defining ourselves by what we are — we can all be free, and this is what HeForShe is about. It’s about freedom. 

„Wenn wir aufhören uns darüber zu definieren, was wir nicht sind, und anfangen uns über das zu definieren, was wir sind, können wir alle frei sein. Und das ist, worum es bei HeForShe geht. Es geht um Freiheit.“

Emma Watson, UN Women Goodwill Ambassador.

Die HeforShe Kampagne lädt uns alle und explizit auch Männer* ein, sich dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zu verpflichten. UN Women lädt dich als Individuum und uns als J-GCL als Teil der Zivilgesellschaft ein, zu handeln. Lade dein HeForShe Action Kit[9] herunter, um direkt zu starten sowie weitere Informationen und Inspirationen zu erhalten.

J-GCL als Mitwirkende für Gleichberechtigung

Auch in den J-GCL setzen wir uns damit auseinander, wer wir sind und wer wir sein wollen, hinterfragen stereotype Geschlechterrollen und setzen uns für Geschlechtergerechtigkeit ein.

Durch unsere institutionalisierte Zweiverbandlichkeit als GCL-MF und GCL-JM gewinnen wir aus meiner Sicht sehr viel:

  • Getrennt und doch gemeinsam die Stärken jeden Geschlechts aufzeigen und das Selbstbewusstsein der Geschlechter stärken
  • Einen natürlichen Raum haben, um Themen aus einer spezifischen Frauen*- und Männer*perspektive zu diskutieren, weil das bei uns einfach selbstverständlich ist
  • Unser Bewusstsein für Gleichberechtigung stärken und gemeinsam gegen Ungerechtigkeiten und vorhandene Missstände vorgehen

Frauen*rechte sind Menschenrechte!

Das Nachhaltigkeitsziel Nummer 5 kann nicht allein von Frauen* erreicht werden, sondern nur, indem sich alle Menschen für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Das funktioniert nur, wenn alle Menschen dieses Ziel für sich annehmen und zu ihrem Ziel machen. Frauen*rechte sind Menschenrechte, das bedeutet nicht nur, dass sie universellen Charakter haben, sondern auch, dass die gesamte Menschheit davon profitiert, wenn Frauen* gleichberechtigt sind.

Ob nun 75 Jahre Vereinte Nationen 75 Jahre Frauen*rechte bedeuten, darüber lässt sich sicher streiten. Allerdings sind sie ein Schritt in die richtige Richtung – ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung.


[1]          Charta der Vereinten Nationen
https://unric.org/de/wp-content/uploads/sites/4/2020/01/charta-1.pdf

[2]          Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/ger.pdf

[3]          Sustainable Development Goals
https://17ziele.de/

[4]          Bildquelle: https://www.un.org/sustainabledevelopment/news/communications-material/

[5]          Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung http://www.bmz.de/de/themen/2030_agenda/index.html

[6]          Bildquelle: https://www.un.org/sustainabledevelopment/news/communications-material/

[7]          UN Women’s Flagship Programme Initiatives

https://www.unwomen.org/-/media/headquarters/attachments/sections/library/publications/2016/fpi-brief-sdgs-en.pdf?la=en&vs=2117

[8]             https://www.theguardian.com/global-development/2015/mar/26/millennium-development-goal-3-15-achievements-on-gender-equality

[9]          HeforShe Action Kit
https://www.heforshe.org/en/action-kits