Was Wäsche-Waschen mit Fastnacht zu tun hat

Wenn man aus dem (Ober-)Rheinischen oder generell Süd-Westdeutschen kommt (also südlicher als ungefähr Düsseldorf aufgewachsen ist), wird man wohl oder übel schon einmal mit Weiber*fastnacht in Berührung gekommen sein. 

Wenn ihr keine Ahnung habt, wovon ich rede – vielleicht weil ihr nördlicher als ungefähr Düsseldorf aufgewachsen seid – keine Angst, ich erkläre das Ganze nochmal.

Ihr habt es vielleicht schon geahnt: Es geht um Karneval. Worum auch sonst, am 11.11. – dem Karnevalsbeginn? 

Grundsätzlich wird Karneval – Fastnacht, Fassenacht, Fasnacht, Fasnet, Fasching, Fastabend, Fastelovend, Fasteleer oder die fünfte Jahreszeit (wie auch immer man es nennen will) – schon seit Jahrhunderten gefeiert. Woher der Brauch kommt, weiß niemand so genau. Man vermutet, dass sich mit der Etablierung des Christentums im süddeutschen Raum andere heidnische Feste mit dem Kalender der Kirche vermischt haben. 

In diesem Fall geht man davon aus, dass sich vorchristliche Riten zum Vertreiben der bösen Geister des Winters dahingehend umgedeutet wurden, dass man einige Tage vor der vierzigtägigen Fastenzeit noch einmal so richtig auf den Putz hauen konnte. 

Fastnacht in dem Sinne, wie wir sie kennen, entwickelte sich aber erst im frühen 19. Jahrhundert als die Rheinländer*innen – deren Wohngebiete erst von Napoleon und dann von den Preußen besetzt waren – die närrische Zeit nutzten, um ungeniert in Büttenreden und Versammlungen über die Besetzer herzuziehen. Immerhin herrscht in der Karnevalszeit damals wie heute Närr*innenenfreiheit.

Jetzt aber zur Weiber*fastnacht (oder Altweiber*fastnacht) im Spezifischen: Sie markiert am Donnerstag vor Aschermittwoch den Beginn des Straßenkarnevals. 

„Weiber*“-fastnacht? Weiber* klingt ja schon irgendwie abwertend. Und „Altweiber*“? Da habt man direkt das Bild einer alten, hutzeligen Frau* im Kopf, die* der Baba Jaga aus einem „Märchen-aus-aller-Welt“-Buch gar nicht so unähnlich sieht. 

Also, wieso heißt der Tag so, wie er heißt? Diese Frage habe ich mir erst viel zu spät gestellt und möchte die Antwort hier nun mit euch teilen. (Keine Angst, es ist ein ziemlich cooler Grund und hat auch nichts mit Baba Jaga zu tun.)

Im 19. Jahrhundert arbeiteten viele Bonner Frauen* in Wäschereien in Beuel, einem (damals noch) Vorort von Bonn. Die „Beueler Wäschereien“ waren nicht nur so groß, dass sie einen Großteil der dort lebenden Frauen* beschäftigten, sondern so groß, dass ein Großteil der Wäsche aus ganz Köln dort gewaschen wurde. 

Keine sonderlich schöne, appetitliche oder einfache Arbeit, wie man sich vorstellen kann. Jeden Tag die Schmutzwäsche fremder Menschen waschen – und das, bevor es Waschmaschinen gab, also von Hand – ist definitiv nichts für Frauen* ohne Armmuskeln, Köpfchen oder mit empfindlichem Magen.

Die zuvor gewaschene Wäsche musste dann über den Rhein wieder in die Stadt zurück transportiert werden. Diesen Job übernahmen die Männer* der Wäscherinnen*. Verständlich, auf einem Schiff voll sauberer Wäsche zu sitzen, hört sich ja auch deutlich entspannter an. 

Gerade am Tag vor dem Kölner Fastnachtsumzug war diese Tätigkeit besonders beliebt, weil man dann direkt in Köln bleiben und ordentlich feiern konnte. Denn natürlich war Fastnacht damals, wie so vieles, reine Männer*sache. 

An diesem Tag also, dem Donnerstag vor Aschermittwoch, fuhren wieder einmal de facto alle Männer* der Beueler Wäscherinnen* nach Köln und die Frauen* waren an diesem Tag allein.

Hört sich gar nicht so schlecht an, ein Tag ohne Männer* – und ohne Arbeit, da ja die ganze Wäsche bereits gewaschen und auf dem Weg in die Stadt war. 

Das dachten sich zumindest einige Wäscherinnen* und trafen sich 1824 an diesem Tag zu einem Kaffeeklatsch, bei dem sie explizit über die seelische und körperliche Belastung ihrer Arbeit und auch Probleme zu Hause sprachen; dies beinhaltete unter anderem auch die Alkoholexzesse, Gewaltausbrüche und Untreue einiger der Ehemänner*. 

Kurz gesagt: Man konnte sich (unter Frauen*) mal so richtig auskotzen und austauschen.

Diese Gruppe von Wäscherinnen* gründete das Alte Beueler Damenkomitee von 1824 e.V. Über die nächsten Jahre wuchs die Gruppe immer weiter, mehr und mehr Frauen* schlossen sich an. Bald entwickelten sich Traditionen, die den Frauen* zu einem festen Platz im Bild des Karnevals verhalfen und diesen auch heute noch geben. So zum Beispiel in Form des Stürmens des Beueler Rathauses durch die Frauen*, welches der Bürgermeister* und dessen Vertreter*in zu verteidigen versuchen. Genau so hielt es sich auch mit dem Abschneiden von Krawattenspitzen. Da hauptsächlich Männer in gehobenen Ämtern Krawatten trugen, etablierte es sich, die Spitzen dieser Abzuschneiden, um auf den Rangunterschied und die missliche Situation der Frauen aufmerksam zu machen.

Heute verschwindet dieser Ursprung von Weiber*fastnacht in der Senke des allgemeinen Trubels. Schade eigentlich, denn er ist doch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Frauen* sich nicht nur dem Patriarchat entgegenstellen, sondern auch dafür, wie sie* sich gegenseitig helfen und einen geschützten Raum für gegenseitigen Austausch schaffen. Denn damals wie heute sind Männer* vom alljährlichen Treffen der Beueler Damen* ausgeschlossen. 

Und obwohl es heute viel um den Spaß an der Freude der Karnevalszeit geht, hat die Tradition des Weiber*faschings doch einen recht ernsten Hintergrund, der in der damaligen Zeit nicht nur einer der Wäscherinnen* das Leben vielleicht ein wenig erleichtert und die vorherrschenden Geschlechterverhältnisse kritisch zur Sprache gebracht hat.       

Eure Gastautorin* Julia Lintz